Meine kleine Puppenwelt - Bücher aus dem Zeitgut-Verlag

 

 

 

 

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Bücher aus dem Zeitgut Verlag

Unvergessene Ferienzeit 1923 - 1962

Unvergessene Ferienzeit 1923 - 1962

32 Erinnerungen an Sommerfrische, Freizeit und Wochenende 1923 - 1962.
Aus der Reihe 'Zeitgut'.
Herausgegeben von Jürgen Kleindienst.

Zeitgut Verlag GmbH
Mai 2005
kartoniert
185 Seiten

 

3866141025

 

 

€ 6,90 kaufen


Markgrafenheide und Warnemünde bei Rostock - Gedser - Kopenhagen; Sommer 1960, Sommer 1990

 

Edith Rabe
Wir konnten uns nur zuwinken

Ich befinde mich an Deck des Motorschiffes „Seebad Ahlbeck", das Kurs auf die dänische Insel Falster nimmt. Langsam entschwindet meinen Blicken der Hafen von Warnemünde, die Silhouette der Stadt. Bald schon ist ringsherum nur noch Wasser. Daß das Land aber nicht fern ist, zeigen die Möwen an, die unser Schiff immer noch umkreisen.

Ich laufe zum Bug des Schiffes und spähe gespannt in die Ferne. Ist Dänemark schon in Sicht? Angestrengt suchen meine Augen das Meer ab. Endlich taucht am Horizont, zuerst nur schemenhaft, die Insel Falster auf. Langsam nähert sich das Schiff dem dänischen Hafen Gedser, meinem Reiseziel. Vor drei Wochen bin ich mit meiner Seminargruppe des Lehrerbildungsinstitutes Leipzig ins GST-Zeltlager*) nach Markgrafenheide an der Ostsee gekommen. Ich bin zum ersten

GST-Zeltlager in Markgrafenheide bei Warnemünde. In der Mitte, mit Brille, das bin ich.

Mal am Meer. In jeder freien Minute gehe ich zum Strand, wenn es warm ist, im Bikini, um mich den Wellen entgegenzuwerfen, oder an kühlen Tagen im Seemannspullover, um ferne Schiffe zu beobachten. Als es hieß, daß eine Fahrt mit einem Motorschiff bevorstehe, habe ich mich riesig gefreut. Doch jetzt, da wir der dänischen Küste entgegenschippern, mischt sich in den Jubel Wehmut, denn in Gedser dürfen wir nicht von Bord gehen. DDR-Bürgern ist es verwehrt, den Fuß in ein westliches Land zu setzen. Wer Geld und etwas Glück hat, kann im Reisebüro einen Urlaubsplatz in einem osteuropäischen Staat ergattern. Ich habe beides nicht. Außerdem will ich nicht nur in ein „erlaubtes Land" reisen. Mir haben es jene Länder angetan, die für uns unerreichbar sind. Daher habe ich begonnen, Ansichtskarten zu sammeln, die uns unsere westdeutschen Verwandten von überall her zuschicken. Inzwischen besitze ich eine stattliche Anzahl. Im Zeltlager kam mir die Idee, wie ich die Schiffsreise nutzen kann, um meine Sammlung zu vergrößern. In eine leere Streichholzschachtel habe ich einen kleinen, mehrfach zusammengefalteten Zettel gelegt mit meiner Anschrift und der Bitte an den Finder, mir doch eine Karte aus Dänemark zu schicken.

Voller Erwartung blicke ich jetzt dem Hafen Gedser entgegen und halte dabei meine Schachtel, die ich mit einem kleinen Stein beschwert habe, krampfhaft fest. Am Anlegeplatz stehen viele Menschen. Wie auf Verabredung winken sich die Leute zu. Als das Schiff endlich fest verankert im Hafenbecken liegt, versuche ich, Kontakt zu den Menschen aufzunehmen. Ich gebe zu verstehen, daß ich Ansichtskarten sammle und werfe meine Schachtel in die Menge. Ich habe Glück, durch den Stein gewichtig geworden, fällt sie nicht ins Hafenbecken, sondern fliegt hinüber und landet bei einem jungen Mann, der sie

Im Jahre 1960 konnten wir DDR-Bürger zwar noch mit dem Schiff nach Gedser fahren, von Bord gehen durften wir jedoch nicht.

geschickt auffängt. Am Ufer und auf dem Schiff entsteht jetzt Bewegung, andere wiederholen, was ich vorgemacht habe. Ich bin nicht die einzige, die auf diese Weise Verbindung zu den Menschen am Kai sucht. Doch meine Stimmung, bis jetzt von Heiterkeit geprägt, wird zunehmend bedrückter, je länger ich den Promenierenden vom Schiff aus zusehe. Viele deutsche Touristen sind darunter. Wir sprechen dieselbe Sprache und dürfen trotzdem nicht das gleiche tun. Sie gehen an Land spazieren, doch wir müssen an Bord bleiben. Bevor ich noch lange darüber nachdenken kann, legt unser Schiff schon wieder ab. Ein letztes Winken und Zurufen, dann entschwindet die dänische Küste ganz langsam meinen Blicken.

Wieder zu Hause, wartet tatsächlich eine Ansichtskarte aus Kopenhagen auf mich. Die erste farbige, große Karte für meine Sammlung! Immer wieder betrachte ich sie. Auf der Rückseite steht geschrieben:

Viele Grüße aus Dänemark sendet Ihnen Theo Weber. Ich konnte Ihnen leider an der Kaimauer nur zuwinken ...

Einmal in diese faszinierende Stadt reisen, das ist mein größter Wunsch. Ein paar Tage später treffen noch zwei Karten aus Gedser sowie zwei Fotos ein, die der freundliche Absender von unserem Schiff gemacht hat.

Im Sommer 1990, fast auf den Tag genau dreißig Jahre später, erfüllt sich mein Traum. Nach der Währungsunion buche ich bei einem Busunternehmen für 99 DM eine Fahrt nach Kopenhagen. Gegen Abend steige ich in Vetschau in den Bus. Von Warnemünde geht es mit der Fähre bis Gedser und von dort weiter mit dem Bus bis Kopenhagen.

Als ich dann auf dem Rathausplatz von Kopenhagen stehe, den ich bisher nur von der alten Ansichtskarte her kenne, kann ich mein Glück kaum fassen. Eine Stadtrundfahrt führt mich anschließend zu weiteren Sehenswürdigkeiten. Am späten Nachmittag sitze ich erschöpft wieder im Bus, lasse erst Kopenhagen, dann Gedser hinter mir. In der Abendsonne geht es mit der Fähre zurück nach Warnemünde. Am nächsten Morgen, gegen vier Uhr, komme ich zu Hause an, todmüde, aber glücklich.

*) Gesellschaft für Sport und Technik: 1952 gegründete Massenorganisation der DDR zur vormilitärischen und wehrsportlichen Erziehung und Ausbildung.

Aus: „Von hier nach drüben",
Reihe ZEITGUT, Band 11.


Oldenburg -Neapel, Italien; 1955/56

Ingeborg Werneken
O mia bella Napoli

Als nach dem großen Kriege zehn Jahre vergangen waren, hatten die Deutschen wieder ein Dach über dem Kopf und sich so richtig satt gegessen, so daß sie begannen, nach neuen Genüssen Ausschau zu halten. Schicke Kleidchen wippten über Petticoats und das „Pferdeschwänzchen", die neue Haartracht, wehte im Wind, wenn die Teenager-Girls sich fest an ihre Boys klemmend mit Tempo 60 auf ihren Motorrollern durch die Straßen brausten. Etwas ältere Semester, wie wir, gesetzt und mit Familie, dachten an ein Auto, ein kleines. Eines Tages stand tatsächlich ein „Käfer", kaum 100.000 Kilometer auf dem Buckel, vor unserer Haustür.

Dann brach das Reisefieber aus. Aus den neuen Radios erklang „O mia bella Napoli" und „Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt" und die Germanen starrten wie 2000 Jahre vordem ihre Vorfahren, gebannt auf Bella Italia, denn „Kennst du das Land ..." hatte schon Goethe gefragt. Die erste Blechlawine setzte sich in Gang über die damals noch nicht untertunnelten Berge, rastlos über Schotterstraßen, vorbei an ungeschützten Steilhängen über die Alpen, wie weiland Hannibal mit seinen Elefanten.

In Italien brach die große Freude aus. Campingplätze wurden angelegt, die ersten Bettenburgen, drei bis vier Stockwerke hoch, reckten sich gen Himmel. Und wenn abends beim Mandolinenklang die Nachbarn aus dem kalten Norden es gar so schlimm trieben in trunkener und ungewohnter Weinseligkeit, sprach man hinter vorgehaltener Hand schon mal vom „Furor(e) Teutonicus", denn seit 2000 Jahren hatten die zarten und feinsinnigen Südländer den Sturm, der damals über sie hinwegbrauste, nicht vergessen.

Meine beiden Töchter vor einem Kiosk in Italien mit einem Mickymaus-Heft auf Italienisch.

Um mehr und immer mehr dieser blonden Riesen ins Land zu locken -und lange bevor der Teutonengrill an der Adria Wirklichkeit wurde - gab man Benzingutscheine aus, die den kostbaren Treibstoff ins gelobte Land verbilligten, während die Eingeborenen zähneknirschend einen hohen Preis zahlen mußten. Und - man kennt das ja bei diesen Südländern - sie waren ohne Maß und Ziel und verschwendeten die Marken mit vollen Händen. Daraus entwickelte sich eine Art „Geschäft", von Nutzen für beide Seiten: Man brauchte bei der Reiseplanung nur „vier Wochen Sizilien" anzumelden, um verbilligte Bons für 3000 Kilometer zu erhalten. Tatsächlich fuhr man nur bis zum Gardasee und verkaufte die überflüssigen 2000-Kilometer-Marken mit Aufpreis an die schon wartenden Italiener. So mancher deutsche Urlauber finanzierte auf diese Art einen Teil seines Urlaubs. O bella Italia!

Wir gehörten selbstverständlich nicht zu jener Sorte von Zeitgenossen. Oh nein, wir fuhren bis Neapel und hatten, na sagen wir mal, Marken bis Salerno. Reine Vorsorge, versteht sich. Man benötigte ja auch Benzin zum Hin- und Herfahren, denn ich mochte keine Stadt verlassen, ehe ich nicht sämtliche Kirchen und Museen von innen bestaunt, jeden Marktplatz besichtigt und an jeder Ausgrabungsstätte heimlich gebuddelt hatte. Zum Leidwesen unserer beiden Töchterchen, deren kleine Beinchen manchmal nicht mehr mitlaufen wollten.

So zogen wir träumenden Herzens, den alten VW bis übers Dach beladen mit Zelt, Gaskocher, Bettwäsche und zwei kleinen Blondschöpfen, auch im Jahr 1956 durch das gelobte Land voller Sonne, Wärme, Wein und Papagalli immer weiter nach Süden. Wir kamen nach Herculaneum, und besichtigten dann die Ausgrabungen in Pompej. In das berühmte Freudenhaus mit den obszönen _ heute nennt man das erotisch _ Wandmalereien durften nur die Männer eintreten, ich mußte vor der Tür bleiben, die Kinder natürlich auch. Alles ging gesittet zu, niemand wäre im Badeanzug in den Speisesaal oder über die Straße gegangen, und für Besichtigungen hatte man seine Sonntagskleidung mit.

„Neapel sehen und dann sterben" - heißt es. Ein besonderes Andenken sollte mich zehn Jahre lang an unseren Urlaub 1956 erinnern.

In Napoli, wo der Vesuv gerade „streikte" und die berühmte Rauchfahne nicht über der Bucht stand, wollte ich wenigstens das vielbesungene „Santa Lucia" sehen, das Hafenviertel. Ich ahnte ja nicht, was uns dort erwartete: Hütten aus Blech und Pappe, bettelnde Kinder, Steinwürfe und Schwarzhändler - späte Kriegsfolgen.

Zwei Uhren wollte man uns verkaufen, eine für Papa und eine für Mama, natürlich aus echtem Gold. Diese Spangenuhr sah wirklich picobello aus, aber 50 Mark waren damals viel Geld. Und überhaupt hatten wir ja unsere Prinzipien: wir kaufen doch keine keine illegale Ware!

Doch als wir mit Müh' und Not und vielfachem „No, no, no!" endlich wieder im Wagen saßen, steckten diese Unermüdlichen, Aufdringlichen ihre schwarzgelockten Schöpfe ins geöffnete Autofenster und flüsterten „Benzinbon".

Was soll ich sagen? Mindestens zehn Jahre hatte ich Freude an meiner „echt goldenen" Spangenuhr, wenn sie auch von Jahr zu Jahr silberner wurde. Aber was soll's, Gold vergeht, Erinnerung bleibt. O mia bella Napoli!


Aus: „Deutschland - Wunderland",
Reihe ZEITGUT, Band 18.


Schmolz*) bei Breslau, Schlesien; 1939

Hans-Heinrich Vogt
Frust und Baldrian

Mit „Mundus vult decipi" brachte uns ein wackerer Lateinlehrer bei, daß die Welt betrogen werden will. Dazu lieferte mein Vater die Dokumentation - in bester Absicht freilich, und ich denke noch heute dankbar daran, wie sich mein Vater mühte, uns zwei aufgeweckte Rangen im langweiligen Sommerurlaub zu beschäftigen. Meine Schwester und ich hatten das Gebirgsdorf im schlesischen Bergland schon von vorn bis hinten erkundet, alle Pferde gefüttert, alle Hunde geneckt, jeden Bach durchwatet. Was sollten wir noch tun?

Mein Vater hatte eine Idee: „Wie wäre es, wenn ihr ein bißchen durch Wald und Feld streifen und Baldrian suchen würdet? Baldrianwurzeln braucht man, um daraus ein Beruhigungsmittel herzustellen, doch es gibt nicht genug Leute, die die Wurzeln ausgraben und zum Apotheker tragen. Ich habe gerade den hiesigen Apotheker gesprochen; er sucht dringend Baldrianwurzeln. Wollt ihr euch nicht ein paar Pfennige verdienen und auf die Suche gehen? Es gibt eine Mark fürs Kilogramm Wurzeln!"

Meine Schwester und ich schauten uns an. Wenn die Langeweile noch weiter um sich griff, würden wir annehmen. Das wußten wir beide.

Am nächsten Tag war es soweit. Seufzend zogen wir mit Hacke und Schaufel aus und fahndeten nach Baldrianwurzeln. Es war gar nicht so einfach, sie zu finden, und noch viel aufwendiger, wägbare Mengen davon zu erwirtschaften. Nun, seit jener Zeit weiß ich, wie langsam ein Naturprodukt zu einem Kilogramm heranwächst, weiß auch zu schätzen, welche Arbeit Baumwollpflücker und Teezupfer auf sich nehmen. Der Triumph kam am Tag, als wir den Apotheker das Säckchen mit den sauberen Baldrianwurzeln auf den Tisch legen konnten.

„Tadellose Ware, wirklich. Und ich brauche sie dringend."

Die Waage zeigte fast akkurat ein Kilogramm. „Ich bin nicht kleinlich", meinte der Mann im weißen Kittel, „es fehlen ein paar Gramm, aber sei's drum. Hier habt ihr eine Mark, die euch gehört."

Wir zogen ab in dem Bewußtsein, dem Apotheker einen Dienst erwiesen zu haben, weil er Baldrian brauchte. Da war aber auch das erhebende Gefühl, mit ehrlicher Arbeit zu Geld gekommen zu sein.

Ehrlich war's, aber nicht von Vaters Seite. Viel, viel später hat er meiner Schwester und mir gestanden, daß die Sorge um die Behebung der Langeweile, die uns plagte, ihn zu einer List greifen ließ. Er war mit dem Apotheker des Urlaubsortes ins Gespräch gekommen: Die Mark, die uns der Heilkräuterexperte in die Hand drückte, hatte er zuvor augenzwinkernd von unserem Vater eingesteckt!

So war allen geholfen: Wir waren beschäftigt, verdienten Geld, sonnten uns im Glorienschein einer guten Tat, unsere Eltern ersparten sich quengelnde Kinder, und dem Apotheker mag es Spaß gemacht haben, das Spielchen zu inszenieren. Daß unsere Baldrianwurzeln alsbald achtlos im Müll landeten, hat uns freilich noch viel später sehr gewurmt und blieb als Lehre präsent: Die Welt will betrogen sein - und sei es auch nur im Interesse eines harmonischen Urlaubs.

*) heute Smolec in Polen

Aus: „Heil Hitler, Herr Lehrer!",
Reihe ZEITGUT, Band 13.


Berlin – Teupitz, Brandenburg
Juli 1923

Liselotte Haak
Ein unvergeßlicher Sommer

In den Zwanziger Jahren sagte man nicht wie heute „wir fahren in Urlaub“ oder „wir machen Ferien“, nein, die wohlbetuchten Leute fuhren in die „Sommerfrische“, reisten zur Erholung in den Harz, in die Heide, an den Nord- oder Ostseestrand. Auslandsurlaube kannten wir damals noch nicht. So wollte auch mein Stiefvater, der Großkaufmann Max Hübner, mit seiner Frau und zwei Kindern in die Mark Brandenburg an den Teupitzer See fahren. Die Pension, südlich von Berlin gelegen, hatte ihm unser Kaufmann Zickelbein empfohlen, der dort am Wochenende angelte. Zur Entlastung der Hausfrau heuerte man ein Kindermädchen an. Trude Nentwich, 16 Jahre alt, war uns wohlbekannt, weil sie wie wir in der Cotheniusstraße 1 im Stadtbezirk Prenzlauer Berg wohnte. Sie hatte ein Gesicht wie eine bösartige Bulldogge, mein Bruder und ich mochten sie überhaupt nicht leiden.

Mitte Juli 1924 war es soweit. Fein angezogen stand ich am Fenster und hielt nach der Taxe Ausschau, die uns zum Anhalter Bahnhof bringen sollte. Meine Eltern hatten mir bei Wertheim neue Kleidung gekauft. Ich trug ein zartrosa Voile-Kleid, ein hellgraues Wollmäntelchen mit blauen Patten an Ärmeln und Taschen und dazu ein rosa Strohhütchen mit Rosenknospen, das abscheulich drückte.
An die Eisenbahnfahrt nach Teupitz kann ich mich nicht mehr erinnern, wohl aber an unsere Ankunft dort. Am Eingang eines weißen Lattenzaunes empfing uns die Pensionswirtin, Frau Kammholz, eine hagere Frau mit braunem Indianergesicht. Zu meiner großen Freude wurde sie von einem silbergrauen Spitz begleitet. Der bellte zwar zunächst, aber das schreckte mich nicht. Schon damals liebte ich Hunde über alles. Der kleine Junge, der neben ihr stand, interessierte mich weniger, obwohl sie zu ihm sagte: „Siehst du, Klausi, nun kriegst du endlich Spielgefährten.“

Er war fast fünf Jahre alt, also beinahe so alt wie ich.
Wir wurden in unsere Sommerwohnung geführt, die aus zwei Zimmern und einer Küche bestand. Eine Ferienwohnung war damals etwas sehr Ausgefallenes und entsprechend teuer. Mein Stiefvater wollte vermutlich nicht gern auf die exzellenten Kochkünste seiner Frau verzichten. Gleich am zweiten Tag hatte er für uns drei Kinder einen großen Berg Spielsand anfahren lassen. Klausi bekam genau wie wir das passende Sandspielzeug dazu, ebenso Bälle, Holztiere und Schiffchen. Am liebsten aber spielte ich mit den Hunden, außer Hauderle gab es noch einen lieben Jagdhund. Er hieß Hektor und folgte mir auf Schritt und Tritt. Er durfte sogar mit in unsere Höhle. Das war ein kreisrundes Gartenfleckchen, von dichtem Buschwerk umgeben. Durch den Eingang mußte man auf allen Vieren kriechen. Hier waren wir den Blicken der Erwachsenen entzogen. Klausi hatte aus der Küche allerlei Geräte entwendet, alte Kannen, Tassen ohne Henkel, Siebe und Schöpflöffel, mit denen wir Familie spielten. Wir konnten uns ganz gut alleine beschäftigen.

Von unserer „Perle“ Trude hatten wir nichts, denn sie verschwand schon nach ein paar Tagen in Richtung Heimat, weil es ihr hier nicht gefiel. Aber auf dem nachfolgenden Foto ist sie noch zu sehen. Sie steht ganz links außen neben dem Dienstmädchen der Pension. Der große Herr ist ein Kunstmaler, begleitet von seiner Mutter und seiner Tante. Dann folgen die beiden Lehrerinnen, die eine, Frau Lejeune, im Liegestuhl sitzend. Das junge Mädchen rechts außen ist die hübsche Haustochter Annemarie, auf die meine Mutter überaus eifersüchtig wurde. In der zweiten Reihe stehe ich mit Haarschleife neben meiner Mutter, zwei Freundinnen der Frau Kammholz und einer Hausdame. Ganz vorn sitzen mein Stiefvater mit meinem Bruder Erich, der Spitz „Hauderle“ und die Wirtin mit Klausi. Sie war eine Kriegerwitwe.

Zur Sommerfrische fuhren wir 1923 in die Mark Brandenburg und wohnten in einer Pension am Teupitzer See, südlich von Berlin. Für mich als Großstadtkind war es aufregend und abenteuerlich, von so viel Natur umgeben zu sein. Es waren die schönsten Ferien meiner Kindheit – wenn auch mit einem bitteren Ende.


Wir lernten die Pensionsgäste beim Kaffeetrinken im Garten und an der langen Abendtafel kennen. Besonders die beiden Lehrerinnen unterhielten sich oft mit mir. Die eine wunderte sich, daß ich noch keine Sonnenblumen kannte und versprach mir, eine Sonnenblumen-Ansichtskarte nach Berlin zu schicken. Ich habe vergeblich darauf gewartet.

Wir genossen die wundervollen Wochen. Tag für Tag strahlte die Sonne vom Himmel herab, Regenwetter gab es nicht. Häufig fuhren alle Gäste gemeinsam mit einem Pferdewagen zur Badeanstalt. Es machte mir riesigen Spaß, neben dem Kutscher vorn auf dem Bock zu sitzen und die Pferdepopos zu beobachten. Und dann das Baden! Die Damen trugen alle schwarze Badeanzüge mit Röckchen, die Herren Badehosen bis zum Knie. Meine Mama hatte eine ballonförmige Bademütze aus Gummi auf. Das Wasser war herrlich warm, und ich machte meine ersten Schwimmversuche.

Einmal nahmen mich mein Stiefvater und Herr Zickelbein zum Angeln mit. Ich sollte die Fische von den Haken lösen und in einen Wassereimer werfen. Aber das empfand ich als schreckliche Tierquälerei und weigerte mich. Immerhin konnten wir vom Kahn aus eine Reiherkolonie am andern Ufer beobachten.

An eine Nacht erinnere ich mich mit Grauen. Meine Eltern waren abends mit Bekannten zum Segeln gefahren und hatten uns Kinder alleingelassen. Wir durften ausnahmsweise in den Ehebetten schlafen. Erich und ich wurden mitten in der Nacht von einem schrecklichen Gewittersturm geweckt. Der Donner krachte, und der Regen klatschte heftig an die Fensterscheiben. Wir weinten entsetzlich, aber niemand hörte uns. Ich wußte schon, wie schnell Segelboote umschlagen können und wähnte meine Eltern bereits ertrunken im See liegen. Im Morgengrauen kamen sie Gott sei Dank wohlbehalten nach Teupitz zurück. Sie hatten noch vor dem Sturm das Ufer erreicht und in einem fremden Bootshaus übernachtet.

Wenn ich Langeweile hatte, ging ich in den Keller. In dem hellen, langen Raum hüpften Hunderte von winzigen Fröschlein herum. Sie waren nicht größer als mein kleiner Finger. Ich steckte sie in eine Zigarrenkiste und setzte sie im Garten wieder aus. Der Keller hatte eine wundervolle Akustik, und ich sang darin aus voller Kehle. Eine der Lehrerinnen sagte daraufhin zu meiner Mutter: „Ihre Tochter hat eine gute Stimme, lassen Sie die mal später ausbilden.“

Mama fand das albern und erzählte es mir lachend. Ihre gute Laune und Urlaubsfröhlichkeit verwandelte sich leider bald in Eifersucht, denn mein Stiefvater, den sie „Luftikus“ nannte, hatte mit der hübschen Haustochter ein Techtelmechtel angefangen. Um seine Frau wieder zu versöhnen, arrangierte er eine Italienische Nacht – ein rauschendes Fest mit Musik, Tanz und Phantasiekostümen. Im Garten wurde ein Tanzboden gezimmert. Lichterketten aus vielen kleinen Glühlämpchen, unterbrochen von Lampions und Luftballons, boten schon bei Tageslicht ein buntes Bild. Auch ein kaltes Büffet wurde aufgebaut.

Wir Kinder durften aufbleiben und alles miterleben. Ich beobachtete, wie sich meine Mama als Maharadscha verkleidete. Sie drapierte nicht nur Laken als Gewand um ihren Körper, sondern zauberte auch einen tollen Turban mit einer funkelnden Brosche aus falschen Steinen. Dazu schminkte sie sich ganz braun. Zu meinem Stiefvater paßte vorzüglich der Pirat mit Augenklappe und rotem Halstuch. Mich hatte Mama in den hellblauen Anzug meines kleinen Bruders gezwängt. Das gefiel mir gar nicht, weil er viel zu eng war. Klein-Erich bekam echte Lederhosen und ein Seppelhütchen mit Feder, um die ich ihn beneidete. Klausi fühlte sich im Mädchenkleid von mir und großer Haarschleife auch nicht sehr wohl.

Meine Mutter war erleichtert, als ihre Nebenbuhlerin ein braves Rotkäppchen im Dirndlkleid darstellte. Erich und ich konnten die Dunkelheit kaum erwarten. Mein Stiefvater hatte eine sechsköpfige Tanzkapelle engagiert. Nach den leiblichen Genüssen wurde eifrig das Tanzbein geschwungen. Wir Kinder sorgten dafür, daß sich das kalte Büffet schnell leerte. Natürlich teilte ich meine Häppchen mit dem geliebten Hektor!

Bei Erdbeerbowle und Sekt gerieten alle Gäste in heiterste Stimmung. Wir Kinder wuselten zwischen tanzenden Seejungfrauen, Schornsteinfegern und Matrosen herum. Es war ein unvergeßliches Erlebnis, das von einem Feuerwerk gekrönt wurde. Die Pensionsgäste schwärmten noch lange davon und bedankten sich bei Max Hübner.
Die Ferien waren fast zu Ende, als meine Großeltern zu Besuch kamen. Meine Mama bekam gleich Krach mit ihrer Mutter. Die hatte auf dem Küchentisch zwischen herumliegenden Makkaroni, Zwiebeln und Tomaten ein paar verstreute Zehnmarkscheine erblickt. Sie schimpfte: „Wie kann man nur so bodenlos liederlich sein! Wenn ihr weiter so mit dem Geld herumschmeißt, wird es euch später mal fehlen!“

Darüber konnte meine Mama nur lachen, nicht ahnend, daß sich die Prophezeiung bald bewahrheiten sollte.

Für mich endeten die Sommerferien einen Tag später mit einem Eklat. Mein Stiefvater hatte am frühen Abend fröhlich eins getrunken und wurde übermütig. Im Piratenkostüm, auf allen Vieren kriechend und mit einem Messer im Mund, hatte er die ganze Familie in eine Ecke gedrängt, nachdem er geschrien hatte: „Ich bring’ euch alle um!“
Wir Kinder wußten nicht, ob es Spaß oder Ernst war und hatten Angst. Mein treuer Begleiter Hektor rettete die Situation, indem er den Betrunkenen bellend und zähnefletschend verjagte.
Meine Großmutter war entsetzt und schrie: „Das Kind kommt jetzt zu uns!“

Sie packte sofort meine Sachen für die Abreise. Da mein Großvater auch mein Vormund war, konnte er meinen Aufenthaltsort bestimmen. Ich widersetzte mich heulend: „Ich will bei Hektor bleiben! Und eure ollen Schmalzstullen will ich auch nicht essen!“

Noch am gleichen Abend hielt ich wieder Einzug in die Berliner Pintschstraße, wo ich bis zur Schulentlassung 1934 ein weniger aufregendes, aber sehr behütetes Leben führen konnte.

Aus: „Zwischen Kaiser und Hitler“,
Reihe ZEITGUT, Band 15.


Friedrichshafen – Oldenburg
1935–1937

Jan Eilers
„Luftschiff – – – marsch!“

„Was meinst du, wo wollen wir dieses Jahr hinfahren?“
Wie in jedem Jahr stellte Vater mir auch im Sommer 1935 diese Frage. Er war Eisenbahner und bekam jährlich mehrere kleinere Freifahrten. Einmal im Jahr aber gab es für die ganze Familie eine große Freifahrt für Deutschland, Österreich, Schweiz und Schweden.

Lange zu überlegen brauchte ich nicht: „Ich möchte nach Friedrichshafen, um das neue Luftschiff LZ 129 anzusehen!“ Vater war einverstanden, zumal er die Landschaft dort sehr reizvoll fand.

Die nette Familie, bei der wir in Friedrichshafen Unterkunft fanden, hieß Sauter. Frau Sauter sagte uns, daß eine Besichtigung des Luftschiff-Neubaus nicht möglich sei. Sie wüßte es von ihrem Mann, der im nächsten Jahr als Maschinist auf dem LZ 129 fahren würde. Jawohl, es hieß „fahren“, nicht fliegen, wurden wir aufgeklärt. Aber wir hätten Glück, morgen früh könnten wir die Abfahrt des riesigen Luftschiffes „Graf Zeppelin“ nach Amerika beobachten, ihr Mann sei bereits an Bord. Die Ankunft eines Luftschiffes wurde rechtzeitig per Funk angesagt. Daraufhin wurden vom Luftschiffgelände drei Böllerschüsse abgefeuert, um die Ankunft der Bevölkerung bekanntzugeben. Auch die zum Luftpostdienst eingeteilten Postler hatten umgehend im Postamt zu erscheinen, um die mit Kraftfahrzeugen angefahrene Post zu sortieren. Das mußte immer sehr schnell gehen, sie eiferten dann um die Wette. Besonders verdiente Beamte im Post- oder Telegrafendienst erhielten ab und zu kleine Binnenflüge als Freiflüge. Frau Sauter erklärte uns auch, was das Kürzel „LZ“ bedeutet, nämlich „Luftschiff Zeppelin“. Nun wollte ich noch wissen, weshalb zwischen LZ 127 und LZ 129 eine Lücke klaffte. Wir erfuhren von Frau Sauter, daß LZ 128 zwar auf dem Reißbrett existiere, aber warum es nicht gebaut werde, wisse sie selbst nicht. Den Grund dafür erfuhr ich erst viele Jahre später.

Ich konnte vor Aufregung nicht schlafen und war froh, als es endlich Morgen war und wir losgingen. Schon von weitem sahen wir die riesige Silberzigarre, umringt von einer großen Menschenmenge. Eine „Zigarre“ bekam auch mein Vater von einem Wachmann verpaßt. Vater wollte sich doch tatsächlich eine echte Zigarre anstecken und hatte nicht daran gedacht, daß vor uns eine gigantische Wasserstoffbombe lag!
Aus dem Bauch des Luftschiffes rauschten große Mengen Ballastwasser, man sah, wie das Schiff immer leichter wurde und die Haltetaue der Bodenmannschaft sich strafften.
Durch das Megaphon ertönte schließlich das Kommando: „Luftschiff – – – marsch!“

Passagiere eilen zur „Fahrgastanlage“ des LZ 129. Sie befand sich etwa Mittschiffs und verfügte Backbord und Steuerbord über schräg nach unten stehende Fenster, die geöffnet werden konnten und den Passagieren eine hervorragende Aussicht boten. Zwei nach unten schwenkbare Treppen erlaubten den bequemen Ein- und Ausstieg am Boden. Für die Passagiere standen anfangs 50, nach der Erweiterung 72 Betten zur Verfügung. Für die Besatzung gab es 54 Schlafplätze.


Als das Schiff ganz langsam auf etwa 50 Meter Höhe gestiegen war, hörte man das Ring–ring–ring der Maschinentelegrafen. Die fünf Maybach-Motoren fingen an zu brummen, die riesigen Luftschrauben begannen zu mahlen. Aus den Lautsprechern des Schiffes erklang das Lied: „Muß i denn, muß i denn zum Städtele hinaus!“
Unter begeistertem Winken Tausender Zuschauer verschwand der Riese am Horizont.

Ein Jahr später sah ich ihn wieder. Es war am frühen Morgen des 26. März 1936, als die beiden Luftriesen LZ 127 „Graf Zeppelin“ und LZ 129 „Hindenburg“ in Friedrichshafen zu einer Deutschlandfahrt aufstiegen. Vier Tage, drei Nächte und 7 000 Kilometer lagen vor ihnen, bis sie am 29. März wieder in Friedrichshafen landen sollten. Kommandant von LZ 127 war normalerweise Hugo Eckener, diesmal aber war es Kapitän Hans von Schiller.

Kommandant von LZ 129 war Kapitän E. A. Lehmann. Dieser schrieb am 28. März 1936 an Bord der „Hindenburg“ folgenden Bericht:

„Hamburg wirkt geradezu märchenhaft. Ein Meer von Lichtern, ein unendliches Flimmern, eine einzige prachtvolle Festbeleuchtung der ganzen Millionenstadt!
Die Sirenen der Schiffe vereinigen sich mit dem Pfeifen der Lokomotiven zu einer Begrüßungs-Sinfonie. Eine Stunde kreuzen unsere Luftschiffe über Hamburg, dann trennen wir uns für die Nacht von LZ 127 ,Graf Zeppelin‘.
Die ,Hindenburg‘ verbringt die Nacht über der Nordsee. Gegen 4 Uhr wird Helgoland angefahren, um 6 Uhr Wyk auf Föhr, die Heimat des Präsidenten Christiansen, der an unserer Fahrt teilnimmt. Nach der sternklaren Nacht über der Nordsee machen wir jetzt eine Schlechtwetterfahrt. Der Himmel ist tiefverhangen, ununterbrochen rinnen die Regenbäche über die Scheiben. Der Begeisterung kann aber kein Landregen Abbruch tun, und so war auch der Empfang in Oldenburg überaus herzlich.“

Luftschiff-Kapitän E.A. Lehmann verunglückte am 7. Mai 1937 mit dem Zeppelin LZ 129 Hindenburg in Lakehurst tödlich.

In meiner Heimatstadt Oldenburg wurden die beiden Giganten am Sonnabend, dem 28. März 1936, um 9 Uhr erwartet. Wir Kinder hatten schulfrei und marschierten geschlossen zu den „Dobben-Wiesen“ rund um das damalige Regierungsviertel. Es war diesig, die Wolken hingen tief.

Ganz langsam schob sich dicht über den Spitzen der Lamberti-Kirche ein Ungeheuer, die Motoren auf halbe Kraft, heran. LZ 127 zog über uns eine Schleife und verschwand in Richtung Süden. LZ 129, die „Hindenburg“, war noch gigantischer anzusehen, sie drehte über uns jubelnden und winkenden Kindern ebenfalls eine Schleife. Das waren Eindrücke, die ich nie wieder vergaß. Es war gerade so, als ob die damals sehr bekannten Ozeanriesen „Bremen“ und „Europa“ über unseren Köpfen schwebten.

LZ 129 „Hindenburg“, das „Fliegende Hotel“, 1936 in Lakehurst, USA. Inlandflüge kosteten 400, Südamerikafahrten 1 600 Reichsmark. Der Durchschnittsbürger konnte sich diesen Luxus nicht leisten. Dafür war der Komfort außergewöhnlich groß: Den Passagieren standen neben ihren Kabinen mit Warm- und Kaltwasser ein Speisesaal, ein Gesellschaftsraum, ein Rauchersalon mit Bar und ein Musikzimmer mit einem Aluminium-Flügel zur Verfügung.

Ein weiteres Jahr später, am 7. Mai 1937, kam das Ende der Luftschiffahrt. Als bei der Landung in Lakehurst in den USA das Landeseil den Boden berührte, flog die „Hindenburg“ in die Luft und verbrannte in wenigen Sekunden, mit ihr viele Passagiere, auch Kapitän Lehmann.

Die Ursache für das entsetzliche Unglück wurde lange Zeit verschwiegen. Erst nahezu 60 Jahre später kamen die Gründe ans Tageslicht. Bis zu „Graf Zeppelin“ war die Außenlackierung der Luftschiffe elektrisch leitend. Da das „Tausendjährige Reich“ sehr devisenschwach war, wurden für den Außenanstrich der „Hindenburg“ erstmals nur inländische Rohstoffe verarbeitet. Obwohl der Lack Aluminiumpulver enthielt, war er nicht elektrisch leitend. So luden sich beim Gewitterflug Gerippe und Außenhaut elektrisch mit verschieden Potentialen auf. Hinzu kam das Abblasen von Wasserstoffgas bei der Landung, damit das Schiff schwerer wurde. Jetzt genügte ein einziger Funke, und die Katastrophe wurde ausgelöst.

Eines habe ich jedoch nie erfahren: ob Vater Sauter aus Friedrichshafen das Unglück überlebte.
Noch ein Geheimnis wurde erst jetzt gelüftet. LZ 128 sollte erstmals mit dem nicht brennbaren Helium gefüllt werden. Helium in größeren Mengen gab es aber nur in den USA. Die Amerikaner hatten die Lieferung bereits zugesagt. Doch als Hitler im Jahre 1934 etwa hundert Männer, darunter solche, die ihm zur Macht verholfen hatten, als „Maßnahme der Staatsnotwehr“ ermorden ließ, schreckten die Amerikaner auf. Sie stoppten die Heliumlieferung. Damit ging die Ära der Luftschiffahrt vorerst zu Ende.


Brüssow, Uckermark
1936

Ursula Meier-Limberg
Mein Freund Klaus

Mit zwölf Jahren hatte ich meinen ersten Freund. Er hieß Klaus und kam jeden Sommer in den Ferien aus Berlin zu seiner Tante Mieze. Sie war Mutters Freundin, deshalb nannte auch ich sie Tante. Klaus war wie ich eine Wasserratte. Und so zogen wir jeden Tag mit Badetasche und einem Paket Butterbrote an den Großen Brüssower See.

Klaus war anders als meine alten Schulkameraden. Er konnte und wußte alles, er neckte mich nicht, er zog nicht an meinen Zöpfen, und er dümpelte mich nie im Wasser. Er sagte auch nie zu mir: „Du bist doof.“ Er ging schon fünf Jahre aufs Gymnasium. Meine Umschulung aufs Lyzeum in Prenzlau hatte wegen Großmutters Tod nicht stattgefunden, denn ich hatte ja bei ihr wohnen sollen.

Klaus machte mich auf viele schöne Dinge aufmerksam. So sah ich unseren See plötzlich mit ganz anderen Augen. Jeden Tag hatte er ein anderes Gesicht. Mal war er tiefgrün, mal grau, dann wieder schwarz und unheimlich. Manchmal meinten wir, auf dem Grund funkelnde Edelsteine zu erkennen. Wenn wir morgens sehr früh zum Schwimmen gingen und erst wenige Menschen am See waren, konnten wir hören, wie das Wasser rauschte und beim Aufschlag der Wellen an den Laufsteg gluckste.
„Hörst du“, sagte dann Klaus, „jetzt will der See mit uns sprechen.“

Sommer 1936: Das bin ich nach dem Schwimmen im Bademantel. Ich war ebenso wie mein Freund Klaus eine Wasserratte.

Manchmal spielten wir Wolkenbildersuchen und freuten uns, wenn jeder dasselbe Bild sah.

Wir schwammen fast jeden Tag über den See. Das war weit und dauerte fast 45 Minuten. Zurück liefen wir meistens durch den Park. Wenn wir Glück hatten, nahm uns auch schon mal der Fischer mit seinem Kahn mit. Dann bekam ich einen Kranz aus Seerosen, denn schwimmend konnten wir sie nicht erreichen, da es zu gefährlich war, sich in ihnen zu verfangen. Es gab nichts, was unsere Harmonie störte. Wir waren mit allem in Einklang.

Doch dann geschah etwas Unfaßbares. Klaus wurde an einem wunderschönen, sonnigen Tag mit großem Gebrüll aus der Badeanstalt geworfen. „Du Judenlümmel hast hier nichts zu suchen!“

Ich verstand überhaupt nichts. Was war hier los? Wieso „Judenlümmel“?
Ich schrie zurück: „Er hat euch doch nichts getan!“
Klaus nahm seine Sachen und ging, ohne ein Wort zu erwidern. Außerhalb der Badeanstalt setzte er sich auf die Wiese, den Kopf in beide Hände gestützt. Dann beschimpfte man mich, daß ich als deutsches Mädchen mich „mit so einem“ abgebe.

Ich lief zu Klaus, setzte mich zu ihm ins Gras und wußte nicht, was ich machen sollte. Am liebsten hätte ich ihn in den Arm genommen. Aber die Scheu vor solcher Zärtlichkeit war zu groß. Schließlich gingen wir nach Hause – Hand in Hand, zum ersten Mal.

Am nächsten Tag war Klaus abgereist.

Der Große Brüssower See, über den wir in den Sommerferien fast täglich schwammen. Die Zöpfe steckten unter Badekappen. Die in der Mitte (Kreuz) bin ich zusammen mit Schulfreundinnen.

Wenig später stand im „Stürmer“, der verrufensten Zeitung der Nazis: „Ein deutsches Mädchen, U. L., schwamm mit einem Judenlümmel über den Brüssower Großen See.“
Dies war der erste Schatten, der auf mein junges und bisher unbeschwertes Leben fiel.

Vater konnte mir auch nicht erklären, was ein Jude sei. Ich solle dem lieben Gott danken, daß ich keine Jüdin sei, und ihn bitten, Klaus beizustehen. Ich erfuhr dann, daß Klaus einen jüdischen Vater hatte, seine Mutter aus Brüssow, unserem Heimatort, stammte und Christin war.

Ich verstand das alles nicht. Ich fragte immer wieder, aber ich hatte den Eindruck, daß niemand so recht wußte, was ein Jude sei. Ich hörte immer nur, die seien eben anders. Sie seien schuld am Ersten Weltkrieg gewesen, sie seien schuld an der Arbeitslosigkeit und so weiter. Vater meinte, daß es immer noch Menschen gebe, die den Juden böse seien, weil diese Jesus Christus gekreuzigt hätten.
„Ja, aber das ist doch so lange her, damit hat Klaus doch nichts mehr zu tun!“ warf ich ein.

Mit diesem traurigem Erlebnis ging meine wunderschöne Kindheit zu Ende. Kurz darauf kam ich auf eine weiterführende Schule und war nur noch in den Ferien zu Hause. Die Sehnsucht nach meinem kleinen Heimatort und die Erinnerung an Klaus sind bis heute geblieben.

Aus: „Pimpfe, Mädels & andere Kinder“,
Reihe ZEITGUT, Band 4.


Erftstadt-Köttingen, Nordrhein-Westfalen
um 1950

Luise Rüth
Ferienglück

Als Kind verbrachte ich meine Ferien im Sommer wie im Winter immer bei den Großeltern auf dem Land. Diese Ferien waren eine Kette von glücklichen und unbeschwerten Tagen und Wochen. Ich glaube, in meinem ganzen späteren Leben habe ich mich nie mehr so frei und zufrieden gefühlt.

Großmutter liebte uns Kinder sehr, und das zeigte sie uns jeden Tag aufs Neue. Sie ließ uns völlige Freiheit in allen unseren Entscheidungen und in unserem Tun.

Jeden Morgen lag der Tag wie ein herrliches Abenteuer vor mir. Mit den Dorfkindern streifte ich durch Feld und Wald. Die Kinder hier hatten eine ganz andere Art von Spielen als bei mir zu Hause in der Stadt. Wir bauten Baumhäuser und schmückten sie mit alten Teppichen und Mobiliar. Alles Eßbare, was wir ergattern konnten, wurde von zu Hause herbeigeschleppt und im Baumhaus gemeinsam verzehrt. Unsere Mahlzeiten waren oft eine bunte Mischung aus Butterbroten, Plätzchen, Obst, Gemüse, Wurst und Käse, doch es schmeckte uns vorzüglich.

An anderen Tagen bildeten wir Banden und streiften durch die Dorfstraßen. Kein Obstbaum war vor uns sicher. Wir wußten, wo es die süßesten Kirschen, die saftigsten Birnen und die dicksten Äpfel gab.

Ich war im Vergleich zu den anderen Kindern sehr klein, aber dafür gewandt, und konnte schnell laufen. Also wurde immer ich zum Obststibitzen vorgeschickt. Manchmal erwischte uns der Gartenbesitzer und es gab Prügel. Lief ich dann zu Großmutter, so tröstete sie mich mit den Worten: „Wer obsten geht, darf sich eben nicht erwischen lassen!“
Regnete es, liefen wir an den Häusern vorbei und drückten auf die Klingelknöpfe. „Mäuschenklopfen“ nannten wir das. Versteckt hinter der nächsten Ecke, hatten wir einen Heidenspaß, die erstaunten und erzürnten Gesichter der gefoppten Leute zu sehen.

Im Sommer gingen wir fast täglich an den Badesee. Es war ein See, der aus der ehemaligen Kohlengrube entstanden war. Wir schmierten uns von oben bis unten mit nassem Kohlendreck ein und spielten „Neger“. Trocknete die Kohle am Körper, dauerte es viele Tage, bis wir wieder richtig sauber waren.

Abends durften wir Kinder draußen bleiben, solange wir wollten. Die Erwachsenen saßen auf den Haustreppen unter den alten Lindenbäumen, schwatzten und sangen Lieder zur Gitarre. Oft schlief ich dabei auf dem Schoß meiner Großmutter ein. Alles war so friedlich, wie man es nur als Kind erleben kann.

In den Winterferien tobten wir im Schnee oder auf dem zugefrorenen See. Wir bauten Hütten aus Schnee mit der gleichen Ausdauer, wie wir sie im Sommer aus Ästen und Laub gebaut hatten. Am späten Nachmittag trieben uns die Dunkelheit und unsere steifgefrorene Kleidung nach Hause. Dort wurden wir aus unseren nassen Sachen geschält und mit warmen Handtüchern abgerubbelt. Dann ging es in die gute Stube, nahe an den warmen Ofen, aus dem es schon verheißungsvoll nach Bratäpfeln roch.

Für mich gab es nichts Schöneres, als die Ferien bei den Großeltern auf dem Land zu verbringen. Das Foto zeigt mich zusammen mit meiner Mutter und Verwandten.

Der Samstag war auf dem Dorf ein besonderer Tag. Alles rüstete sich für den Sonntag, und das geschah unter ganz bestimmten, festen Regeln. In der Frühe ging die ganze Familie zum Einkaufen – natürlich nur bis zum einzigen Tante-Emma-Laden im Dorf. Großmutter schlug eine Ecke ihrer großen Schürze um, befestigte sie im Bund, und wir zogen los.

Die Gerüche im kleinen Dorfladen waren köstlich. Das Faß mit Salzheringen stand neben dem Topf mit Rübensirup. Gleich am Eingang waren Öl, Essig und Suppenwürze aufgebaut. Zucker, Mehl und Salz gab es lose in mitgebrachten spitzen braunen Tüten. Heringe wurden in Zeitungspapier eingewickelt. Alle unsere Einkäufe verschwanden in Omas weiter Schürze.
Ab Monatsmitte wurde angeschrieben, wie fast jeder im Dorf es machte. Der Händler notierte alles in ein kleines schwarzes Heft. Das hinderte Großmutter aber nicht, jedem von uns Kindern zwei Manna-Bonbons oder eine Lakritzschlange zu kaufen.

Samstag mittag gab es immer Eintopf zu essen, je nach Jahreszeit Bohnen, Linsen, Graupen, Erbsen oder Möhren. Spätestens am Mittagstisch wußten wir, es ist Samstag.
Gleich nach dem Essen heizte Großvater in der Waschküche den großen Wäschekochkessel an. Dann nahm er die Zinkwanne vom Haken an der Wand. Kochte nach einiger Zeit das Wasser, wurden wir Kinder mit kritischen Blicken der Reihe nach gemustert. Derjenige von uns, der am wenigsten schmutzig wirkte, war Großmutters erstes Opfer. Noch in der Küche wurde er entkleidet und dann über den Hof in die heiße Waschküche gebracht. Widerstand nutzte wenig. Wir wußten, es mußte sein, wie Großmutter sagte.

In der Waschküche konnte man vor lauter Dampfschwaden kaum noch etwas sehen. Großvater schleppte eimerweise kaltes und heißes Wasser heran. Sofort wurden wir in die Wanne gesteckt. Oft war das Wasser noch so heiß, daß wir am ganzen Körper augenblicklich krebsrot wurden. Unsere Protestschreie veranlaßten Großmutter lediglich, etwas von „guter Durchblutung“ zu murmeln.

Jetzt kam das Schlimmste: Waren wir von Kopf bis Fuß mit Kernseife eingeschmiert, nahm sie die Wurzelbürste und schrubbte uns ab. An anderen Tagen der Woche nahm sie es nicht so genau: „Schmutz ist wichtig für die Abwehrstoffe,“ meinte sie, und „Dreck reinigt Magen und Darm“. Samstags dann warf sie ihre Theorien über den Haufen.

Zum Schluß wurden die Haare mit Essig gespült, was bei uns zu neuerlichem Geheule führte. Etwas Essig bekamen wir meistens in die Augen, und auf der roten, gereizten Haut brannte er teuflisch. War der erste Kandidat erlöst und in ein vorgewärmtes Badetuch gepackt, schritt Großvater wieder in Aktion. Vorsichtig schöpfte er den Seifenschaum aus der Wanne, goß einen Eimer heißes Wasser nach, und schon war das nächste Kind an der Reihe. Schließlich war Großvater selbst nach Mutter, Vater und Großmutter der letzte, der badete. Wenn er fertig war, warf er noch die Schmutzwäsche der Woche in das Badewasser, wo sie bis Montag zum Einweichen blieb, um dann ebenfalls mit Seife und Wurzelbürste bearbeitet zu werden.

Für uns Kinder waren aber noch nicht alle Schrecken vorüber. Großmutter hatte inzwischen schon die Brennschere aus den glühenden Kohlen geholt. An einer alten Zeitung testete sie deren Hitzegrad. Verbrannte die Zeitung, wurde die Brennschere zum Abkühlen durch die Luft geschwenkt, um schließlich uns Mädchen mit der richtigen Temperatur Locken in die Haare zu brennen. Unsere Locken hielten dann fast eine Woche. Ein bißchen stolz darauf waren wir schon: Keiner konnte so gute Locken brennen wie Großmutter.

Den Jungen wurde mit Großvaters Rasiermesser säuberlich der Kopf fast kahl geschoren.

War die ganze Tortur vorbei, durften wir wieder auf die Straße. Wir liefen von Haus zu Haus, um zu sehen, welches Wasser bei den Nachbarn aus dem Abfluß kam. Es gab damals noch keine Kanalisation, und alles Abwasser lief über die Straße. Bei jedem Haus sah es anders aus, manchmal sogar grün. Das fanden wir toll, und wir schnupperten daran, wußten wir doch, daß es Badezusatz aus Fichtennadeln war. Das roch so schön nach Wald.

Bei einigen Häusern war das Abwasser fast schwarz – das war das Waschwasser der Bergmannskleidung. Woanders lief rotes oder gelbgrünes Wasser über die Straße. Dann wußten wir, in diesem Haus gibt es rote Bete oder Wirsing zum Sonntagsbraten. Wir bastelten Schiffchen aus Papier und ließen sie in der Gosse schwimmen: vom Oberdorf zum Unterdorf.

Am schönsten war es im Winter. Das Abwasser gefror zu Eis, und die Straße schimmerte in allen Farben.
Wenn es aus den Häusern nach Sonntagsbraten und Kuchen roch, war das für uns ein Zeichen, nach Hause zu laufen. Am späten Samstagnachmittag wurden nämlich der Sonntagsbraten angesetzt und die großen Bleche mit Obstkuchen gebacken. Das duftete köstlich und wir beeilten uns.

Daß Großmutter uns zuerst ein bißchen ausschimpfen würde, weil wir schon wieder schmutzig waren, daran hatten wir uns gewöhnt. Aber dann, während sie uns ein großes Stück warmen Obstkuchen zuschob, würde sie sagen: „Bald ist wieder Samstag.“

Unter Tränen nahte der letzte Ferientag. Dann hieß es Abschied zu nehmen, und das „andere“ Leben begann wieder. Zu Hause zählte ich ungeduldig die Tage, bis es endlich hieß: „Ferien ... du darfst sie wieder bei deinen Großeltern verbringen!“


Köln–Mittenwald, Bayern;
1950–Mai 1953

Hans Engels
„Willkommen in Mittenwald!“

Die Zeiten wurden wieder ruhiger, und die Sorge um Nahrung und Kleidung rückte aus der Mitte des Alltags etwas beiseite. Und urplötzlich vorwitzten hier und da die ersten kleinen Wünsche hervor, zunächst etwas zaghaft vielleicht. Man konnte ja nie wissen, wie der liebe Mitmensch mit neidischem Blick aus den Augenwinkeln blinzelte, unauffällig, aber doch so, daß man es nicht übersehen konnte. Und so mag auch mein Vater lange gezögert haben, bis er es wagte, sich den ersten Wunsch zu erfüllen. Er kaufte freitagabends eine Tafel Schokolade, „Piasten Mocca Sahne“, zu 1,30 DM. Sie war das Wochenendvergnügen für die ganze Familie.

Doch bald, als unser Jahrhundert Halbzeit hatte, rückte Vater mit einem Wunsch heraus, der ihn wohl schon lange bewegt haben mochte, ihn immer wieder in Unruhe versetzte und dann dazu trieb, lange Zahlenkolonnen aufs Papier zu malen, sehr sorgfältig, wie es so seine Art war.

Als er schließlich mit dem Lineal unter das Endergebnis einen Strich machte, seufzte er laut auf und schnaufte: „Das wird noch eine Weile dauern, bis wir nach Mittenwald fahren können.“

„Wieso nach Mittenwald?“ Mutter war völlig überrascht. „Das ist doch viel zu weit und vor allen Dingen zu teuer!“
„Aber ich möchte doch in die Berge, in die Alpen. Ich habe die Berge noch nie mit eigenen Augen gesehen!“ (...)

Kaum hatte das Jahr 1953 begonnen, war Vater wieder auf der Suche nach neuen Reiseprospekten. Als er schließlich das Richtige aufgetrieben hatte, viel Auswahl gab es ja nicht, saß er wieder einige Abende am Küchentisch, schrieb und rechnete, verwarf seine Aufstellungen und begann von Neuem. Doch irgendwann legte er erleichtert den Bleistift zur Seite. Es war geschafft! Es gab keinen Zweifel mehr. Die Ferienreise nach Mittenwald war perfekt: Zehn Tage im Mai, in der Vorsaison. Da war es billiger. „Das können wir uns gerade so leisten“, meinte Vater. Noch oft mußte ich, wenn ich am Essen herumnörgelte, hören, daß wir ja sparen müßten. Wir würden doch in die Ferien fahren, und man könnte schließlich nicht alles haben.

In den letzten Wochen vor der Fahrt fieberten wir alle vier, Mutter, Vater, mein kleiner Bruder, sieben und ich, elf Jahre alt, in äußerster Anspannung auf das große Ereignis zu. Und als wir uns an einem Donnerstagabend gegen 22 Uhr auf die Polster des Fern-D-Zuges fallen ließen, war dies ein wunderbares Gefühl: Wir hatten es geschafft!

Es folgte eine lange Nacht im dämmrigen Zug, die kein Ende nehmen wollte. An Schlaf war ja nicht zu denken, obwohl mir immer wieder die Augen zufielen.

Als schließlich der Zug von Garmisch-Partenkirchen nach Mittenwald hinaufkeuchte, stand die Sonne schon hoch am Himmel, und Vater begeisterte sich und uns immer mehr für die Großartigkeit und Schönheit der Bergwelt.

Meine Aufmerksamkeit erregte im Augenblick aber wesentlich mehr ein recht dicker Herr. Sein Leib füllte eine riesige Lederhose aus, die bis zu den Knien reichte. Damit sie nicht herunterfiel, hatte er sie an wunderschönen bunten Trägern befestigt. Dazu trug er ein weißes Hemd und Strümpfe, an denen die Füße fehlten.

Er blieb bei den Fahrgästen stehen, begrüßte sie und redete mit ihnen. Als er endlich zu uns kam, lachte er uns an: „Grüß Gott, willkommen in Mittenwald! Ich bin der Markus, und ...“
Ja, das war es dann, denn, was er noch sagte, kann ich nicht wiedergeben. Nicht, weil ich es vergessen hätte, nein, weil ich ihn nicht verstand, obwohl er sich viel Mühe machte, besonders laut zu reden.

Mein zweifarbiges rundes Käppchen, das ich auf dem Kopf trug, schien ihm ausnehmend gut zu gefallen. Denn plötzlich nahm er es mir vom Kopf und grinste, als er mein erschrockenes Gesicht sah. Doch mein Erschrecken war umsonst, denn Markus heftete ein Abzeichen vom Geigenbauort Mittenwald zu den anderen Anstecknadeln an mein Käppchen und setzte es mir wieder auf. Markus sollte in den nächsten Tagen noch des öfteren unser lustiger und kurzweiliger Reisebegleiter sein. Schade nur, daß man ihn so schlecht verstand.

Doch nun hatte er sich schon viel zu lange bei uns aufgehalten. Er hatte es plötzlich sehr eilig, denn der Zug rollte langsam in Mittenwald ein. Noch ein greller Pfiff, der Zug holperte über einige Geleise, und bereits bevor er stand, ertönte vom Bahnsteig her eine feierlich-fröhliche Blasmusik.
Wir schauten aus dem Zugfenster: Was mag das für ein Fest sein? Oder ist vielleicht ein berühmter Ehrengast unter den Fahrgästen?

Es dauerte eine Weile, bis Vater meinte, der Blasmusikempfang gelte wohl uns, den Gästen. Während Vater dabei war, die beiden Koffer aus dem Zug zu schaffen, blickte ich durch die Fensterscheiben auf den Bahnsteig und sah etwas sehr Seltsames: Da standen viele kleine Handwagen. Und zu jedem Wagen gehörte jemand, meist war es eine Frau, die gespannt auf die Leute schaute, die aus dem Zug stiegen.

Als auch wir endlich den Ausstieg erreichten und auf den Bahnsteig kletterten, löste sich aus der wartenden Menge eine große, hagere Frauengestalt mit braungebranntem Gesicht, begrüßte uns, redete etwas, das ich nicht verstand und gab jedem die Hand, die sie vorher an der Schürze abgeputzt hatte. Nun packte sie mit einer Leichtigkeit, als seien sie mit Watte gefüllt, unsere Koffer, setzte sie auf das Wägelchen und zog los. Wir hinterher. Die Hagere zog den Wagen, und wir versuchten beizubleiben. Wenn der Abstand gar zu groß wurde, verlangsamte unser Zugpferd die Fahrt ein wenig und ließ uns vorübergehend aufschließen.

Als wir endlich unsere Ferienunterkunft erreicht hatten, sehnte ich mich nach einem Bett. Ich war ja so müde!
„Zuerst wird sich gewaschen!“ tönte da die Mutter, „wenigstens Hände und Gesicht!“
Ich wurde sogar ein wenig munter, denn da war wieder etwas Besonderes: In dem Zimmer war kein Wasserhahn. Man mußte das Wasser aus einem Krug in eine Porzellanschüssel gießen. War er leer, so konnte man neues, frisches Wasser an einer Schwengelpumpe in der Küche holen. (...)

Die Ferientage gingen dem Ende zu, und nach Vaters Planungen standen noch zwei Wanderungen auf dem Programm. Aber schon am Morgen klappte es nicht so recht mit dem Aufstehen, und dann schien die Sonne so unbarmherzig vom Himmel, daß der Weg immer länger zu werden schien und daß die Zeit immer schnellere Füße bekam. Als wir schließlich an unserem Zielgasthaus ankamen, war der Mittag schon längst vorbei. Alle Speisen auf der Speisekarte, die für uns erschwinglich waren, waren „ausgegangen“, außer Königsberger Klopse. Aber die mochte keiner von uns, und außerdem fährt man nicht nach Mittenwald in die Ferien, um Königsberger Klopse zu essen. Der Koch in der Küche, so meinte die Bedienung, wäre wohl bereit, für uns noch Wiener Schnitzel zuzubereiten. Ohne nach dem Preis zu fragen, bestellte Vater für jeden von uns ein Wiener Schnitzel, dazu Röstkartoffeln, Salat und zwei Bier und zwei Limo.
Und dann kamen die Schnitzel. Riesenschnitzel!
Noch nie hatte es für mich zu einem ganzen Schnitzel gereicht und außerdem war dieses an Größe nicht zu überbieten. Mir schmeckte es vortrefflich, doch im Stillen hegte ich Zweifel: Ob Vater das auch alles bezahlen kann?
Als er bezahlt hatte, lachte er: „So, jetzt sind wir eine Sorge los. Wir brauchen uns keine Gedanken mehr zu machen, wie wir unser Geld ausgeben.“

Und da es schon Nachmittag war, für einen weiteren Spaziergang viel zu spät, legten wir uns auf ein Rasenstück am Kranzberg und genossen die wohlige Wärme der Sonnenstrahlen des letzten Ferientages.

Aus: „Schlüssel-Kinder“, Reihe ZEITGUT, Band 6.


Essen – Lido di Jésolo, nahe Venedig, Italien,
Sommer 1957

Erika Tappe
Eine italienische Nacht

Mit meiner Zwillingsschwester Ingrid und vier weiteren Geschwistern erlebte ich die Nachkriegsjahre in meiner Geburtsstadt Essen. Meine Mutter hatte während unserer ersten Evakuierungsetappe in Krumbach, Bayern, die Mutter von fast gleichaltrigen Zwillingen kennengelernt und sich mit ihr angefreundet. In Essen wohnten wir nun zwar fast eine Stunde Fahrzeit auseinander, dennoch freundeten der Zwilling Karin und ich uns wieder sehr an. Leider trafen wir uns nur in den Ferien, da sie eine Internatsschule besuchte. Meine allererste Auslandsreise unternahm ich mit Karin.

Im Sommer 1957 bin ich gerade 18 Jahre alt geworden. Von meiner Familie verreist niemand. Karin aber darf mit Klaus, einem Freund ihrer Familie und dessen Freund, zum Zelten an den Gardasee fahren. Nach vielen Überredungsversuchen von Karin und auch deren Mutter, die gerne eine Gefährtin an der Seite ihrer Tochter hätte, erlauben meine Eltern, daß ich mitfahren darf. Die Jungen sind in unserem Alter. Klaus’ Freund fährt einen VW Käfer, in den wir das Gepäck und alle Campingutensilien hineinstopfen. Ein Zelt für die Männer, ein Zelt für uns Mädchen, viele Versprechungen – endlich kann das Abenteuer beginnen.

Am Gardasee aber gefällt es uns auf dem Campingplatz überhaupt nicht, weil er völlig überfüllt ist und das Wasser dort sehr seicht und zum Schwimmen wenig geeignet ist. Schon überschreiten wir das strengste Verbot, weiter nach Süden zu fahren.

Nach dem Wälzen einiger Campingführer landen wir auf einem herrlichen NSU-Campingplatz in Lido di Jésolo in der Nähe von Venedig. Der Platz ist streng bewacht, Italiener dürfen ihn nicht betreten. Die einzigen, die wir zu Gesicht bekommen, sind die Kellner im Restaurant und Antonio, der Bademeister, der in seinem Ruderboot die Badenden bewacht. Wir lernen nette junge Deutsche kennen, und unsere „Aufpasser“ gehen bald eigene Wege. Karin und ich halten wie Pech und Schwefel zusammen, kein männliches Wesen kann uns trennen.

Meine erste Reise nach Italien führte mich 1957 nach Lido di Jésolo, nahe Venedig. Hier sah ich zum ersten Mal Esel, die ich zuvor nur aus dem Märchenbuch kannte.


Am letzten Abend vor der Heimfahrt machen wir vier abends dennoch gemeinsam einen Bummel in dem etwa eine halbe Busstunde entfernten Ort, um einige Mitbringsel zu besorgen. Nach einiger Zeit trennen wir uns, damit jeder seine Einkäufe erledigen kann, zu viert ist es zu mühsam. Die Geschäfte sind bis 24 Uhr geöffnet. Um Mitternacht wollen wir uns am letzten Bus treffen, um miteinander zurückzufahren.

Ich habe mich für diesen Ausflug fein gemacht, habe mein zartgrünes Sommerkleid mit Dirndlausschnitt und breitem Bastgürtel und darunter einen wunderschönen weiß-rosa Petticoat angezogen. Am Ausschnitt ist das Kleid mit rot-karierten Stoffrüschen unterlegt, am weit schwingenden Rock ist eine Applikation angebracht: ein Sonnenschirm aus Bast und ein Liegestuhl mit rotkariertem Bezug. Mit meinem blonden Pferdeschwanz gebe ich ein sommerlich fröhliches Bild.

Meine Freundin Karin und ich, rechts, an einem Brunnen in Venedig. Die beiden kessen Italiener wollen sich unbedingt mit uns fotografieren lassen.


Zur verabredeten Zeit stehe ich an der Bushaltestelle. Ich warte, von meinen Freunden ist nichts zu sehen. Der letzte Bus kommt, Männer steigen ein. Mit meinen vielen kleinen Päckchen im Arm renne ich aufgeregt hin und her und halte Ausschau nach meinen Gefährten. Sind sie etwa schon weg? Ich kann doch nicht allein hier stehenbleiben!

In letzter Minute springe ich in den anfahrenden Bus. Er fährt die vertraute Strecke, ich bin beruhigt. Endlich kommt der Schaffner durch den überfüllten Wagen auch zu mir. Als ich mein Ziel ansage, bricht ein Wortschwall über mich herein. Ich verstehe überhaupt nicht, was er meint. Die vielen Männer, die mich schon zuvor verstohlen musterten, werden ebenfalls lebhaft und beteiligen sich am Gespräch. Mir wird ziemlich mulmig. Langsam müßte ich doch am Ziel sein!

Ich spähe nach draußen in die finstere Nacht. Nur vom Busscheinwerfer erhellt, fahren wir jetzt durch eine mir völlig unbekannte, waldreiche Gegend. „Stop, – stop!“ rufe ich aufgeregt und drängele mich durch zur Tür. Aber die Leute halten mich fest und bemühen sich, mich zu beruhigen. Vergeblich versuche ich, ihnen klarzumachen, das ich woanders hin muß. Sie können oder wollen mich nicht verstehen.

Wir fahren nun schon eine Stunde, und langsam steigen Angst und Schrecken in mir hoch. Endlich hält der Bus. Schnell stürze ich nach draußen, doch dann merke ich, daß alle Mitreisenden den Wagen verlassen, auch der Fahrer. Noch einmal rede ich eindringlich auf ihn ein, er aber geht einfach weg, wie all die anderen. Um mich herum ist es nun stockdunkel, kein Scheinwerfer erhellt mehr die Gegend. Das einzige Licht und auch Lärm dringen aus einem Haus auf der anderen Straßenseite, sonst kann ich in der Dunkelheit keine anderen Gebäude ausmachen. Mir bleibt nichts anderes übrig, als ebenfalls dorthin zu gehen.

Ich trete als letzte ein, sehe viele Männer, Rauch, einen Tresen, es herrscht gewaltiger Lärm – ich bin in einer Kneipe. Hereingeweht wie eine zarte erschrockene Sommerblume in diese von Gerüchen geschwängerte Luft muß ich wohl ziemlich fehl am Platze aussehen, denn die Gespräche verstummen, und die Leute starren mich äußerst verblüfft an.
Jetzt lösen sich zwei stark geschminkte Frauen aus der Männergruppe, kommen auf mich zu und zupfen an meinem Kleid. Dann hebt die eine meinen Rock und faßt an meinen Petticoat, worauf auch die andere beginnt, ihn zu betasten. Sie fangen an zu kichern und zu kreischen, die Männer lachen. Schnell ziehe ich meinen Rock wieder nach unten. Die Umstehenden lachen noch lauter. Vor Angst und Wut zitternd schreie ich sie an: „Laßt mich in Ruhe, sonst hole ich die Polizei!“

Die Weiber lachen und johlen und schieben mich zur Theke. Der Wirt, ein älterer Mann, lacht ebenfalls. Dann spricht er mich plötzlich auf Deutsch an. Von meiner Verzweiflung aber will er nichts hören. Dafür sagt er mir viele deutsche Wörter auf, die er während der Kriegsgefangenschaft in Deutschland gelernt hat. Auf einmal unterbricht er seine Rede und sagt, ich könne bei ihm schlafen.

Ich frage ihn, ob mein letztes Geld denn für die Übernachtung reiche und ob er beim Campingplatz anrufen könne.
Er aber grinst nur und sagt: „Du kannst bei mir im Bett schlafen!“

Anschließend spricht er wieder mit seinen Kumpanen, alle biegen sich vor Lachen.

Ich drohe, daß ich jetzt zu Fuß nach Hause laufe und der Polizei sage, wie schlecht sie sich benehmen. Wieder übersetzt er, und schallendes Gelächter antwortet ihm. Fast fange ich an zu weinen. Was soll ich nur machen?

Einerseits fühle ich mich beschützt in dem Haus und gleichzeitig ganz schrecklich ausgeliefert. Solange so viele Menschen um mich herum sind, bin ich relativ sicher. Der Wirt aber macht mir Angst und ist doch der einzige, der mich etwas versteht. Ich merke, daß die Männer beratschlagen, danach verläßt einer den Raum. Nach einer Weile kommt er zurück, und ich werde nach draußen geschoben. Vor dem Haus auf der Straße steht ein Mann in Motorradmontour neben seiner großen Maschine. Ich solle aufsitzen, wird mir bedeutet, und während ich noch ängstlich zögere, packt man mich und schon sitze ich hinter dem Motorradfahrer. Unter dem Gejohle der Zurückbleibenden fahren wir ab.

Ein Stück geht es die Hauptstraße in Richtung Jésolo, und mir wird etwas leichter ums Herz. Plötzlich verlangsamt er die Fahrt, und wir biegen in einen einsamen Feldweg. Rechts ein Wassergraben, links ein Wassergraben mit Schilf. Gespenstisch leuchten Maisfelder im Lichtkegel, der immer schwächer wird, je langsamer wir über den furchtbar buckligen Sandweg fahren.

Jetzt hält der Fahrer an. Mir wird ganz kalt vor Angst, als er absteigt, und in meiner Phantasie, die Purzelbäume schlägt, sehe ich mich schon als Leiche im Wassergraben schwimmen ...

Er aber nimmt mir zuerst alle Päckchen ab – ich zittere – und steckt sie sich unter die Jacke. Dann bedeutet er mir, mich mit meinen Armen um ihn zu schlingen und mich festzuhalten. Ich wage es, ihn zu umarmen, während er die Maschine startet. Nun leuchtet das Scheinwerferlicht wieder heller, und nach einiger Zeit erreichen wir eine Landstraße, die mir allmählich immer bekannter vorkommt.

Langsam entspanne ich mich und beginne, die nächtliche Fahrt zu genießen. Schließlich kommen wir an der Schranke und beim Pförtner unseres Campingplatzes an, wo meine aufgeregten Freunde mich erleichtert in Empfang nehmen. Ich aber bedanke mich bei meinem Retter mit einem Kuß auf seine Wange. Laut lachend fährt er davon.

Aus: „Halbstark und tüchtig“, Reihe ZEITGUT, Band 17.


Inhalt »Unvergessene Ferienzeit«

 

Die Orte unserer Feriengeschichten 9
Vorbemerkungen 11

Liselotte Haak
Ein unvergeßlicher Sommer 13
Ingeborg Müller-Exo
Mit einer schwarzlackierten Kutsche in Großmutters Reich 19
Margot Linke
Die erste große Reise allein 24
Jan Eilers
„Luftschiff – – – marsch!“ 29
Heinrich Schröter
Starker Tobak 36
Reinhard Lauenstein
Zu Fuß durch Ostpreußen 38
Ursula Meier-Limberg
Mein Freund Klaus 46
Claus Cammann
Mein zweites Zuhause – der R.C. Obotrit 50
Helmar Stühmer
Abstecher in die große Welt 59
Gisela Schoon
Als „Ferienkind“ in Württemberg 63
Hans-Heinrich Vogt
Frust und Baldrian 66
Hermann-Josef Geismann
Unser Fräulein Hedwig 68
Gertrud Rehbein
Mit „Kraft durch Freude“ ins Allgäu 75
Hans-Heinrich Vogt
Fernweh 80
Claus Cammann
Freßferien 84
Gerhard Eschner
Ähren, Brot und Streuselkuchen 87
Alfredo Grünberg
Elf Mark für eine Lucky Strike! 91
Luise Rüth
Ferienglück 98
Irmgard Notz
An Speaker’s Corner 104
Paul Misch
Eine Radltour mit sechs Mädchen 107
Hans Engels
„Willkommen in Mittenwald!“ 113
Jürgen Hagenmeyer
Eine Nacht im „Alpen-See-Expreß“ 121
Gretel Hardeland
Getrübte Ferienfreude 125
Hiltrud Klüß
Wir träumten nicht nur von Italien 130
Jürgen Hagenmeyer
Der Autoreisezug 140
Falko Berg
Die Entdeckung einer Leidenschaft 142
Ingeborg Werneken
O mia bella Napoli 150
Erika Tappe
Eine italienische Nacht 154
Hans Engels
Noch 3 Pfennige 160
Marianne Ludorf
Ferien mit 80 Mark in der Tasche 164
Edith Rabe
Wir konnten uns nur zuwinken 168
Traute Siegmund
Schlangestehen lohnt immer! 172

 

 

Mit freundlicher Genehmigung des Zeitgut-Verlages
Bilder: © Zeitgut-Archiv

 

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