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Küllstedt,
Eichsfeld, Thüringen;
1926
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Editha
Feuser
Rosa
– eine Puppe für mich allein
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Weihnachten
wurde in meiner Kindheit im Eßzimmer gefeiert, das wir sonst nur
benutzten, wenn wir Besuch bekamen. Der Eßtisch, der in der Mitte
des Zimmers stand, wurde ausgezogen, so daß das Christkind, an
das ich mit elf Jahren noch glaubte, Platz für die Geschenke
hatte. Der Tisch war festlich gedeckt mit Tellern voller Süßigkeiten,
jedoch weitaus bescheidener, als es heutzutage üblich ist. Jedes
Teil war akkurat nebeneinander plaziert, obenauf lagen die bunten
Fondantkringel, die wir Kinder so sehr liebten. Die Geschenke, die
das Christkind bescherte, waren vor allem Kleidungsstücke oder später
Dinge für die Schule, was man eben so brauchte.
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Wenn
das Christkind klingelte, mußten wir Kinder erst ellenlange
Gedichte vor dem Weihnachtsbaum stehend vortragen und eine
unendlich lange Reihe Lieder singen. Dabei versuchten wir,
heimlich auf den Gabentisch zu schielen; denn das Christkind
brachte für jeden auch ein Spielzeug. Ich wußte, daß jedes Jahr
eine liebe Tante, eine Schwester meiner verstorbenen Mutter, eines
für mich "bestellt" hatte.
An
jenem Weihnachtsfest war meine Freude besonders groß. Bei der
Bescherung glaubte ich zu träumen: An meinem Platz saß eine
wunderhübsche, große Puppe. Bisher hatte nur meine jüngere
Schwester Irmgard Puppen bekommen. Ich durfte zwar auch damit
spielen, aber nur zusammen mit meiner Schwester, hieß es, das war
nicht dasselbe. Diese Puppe hier gehörte mir ganz allein. Überglücklich
schloß ich sie in die Arme. Die Puppe hatte einen wunderschönen
Porzellankopf mit großen Schlafaugen und gutriechenden, echten
Haaren, und sie trug ein rosa Organdykleidchen. Und so nannte ich
sie "Rosa".
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1926 zu Besuch bei der
Großmutter in Mönchengladbach. Rechts neben meinem Cousin und
den beiden Cousinen stehe ich. Tante Else (oben) war auch oft da.
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Am
liebsten wollte ich meine Rosa gar nicht mehr loslassen. Abends
nahm ich sie mit in mein Zimmer und setzte sie neben mein Bett auf
den Nachttisch.
Doch
eines Nachts – oh Schreck! – fiel Rosa hinunter, und der schöne
Porzellankopf lag in Scherben. Ich war untröstlich. Aus Angst vor
meinen Eltern versteckte ich die Puppe ganz unten in meinem
Kleiderschrank.
Vergessen
konnte ich Rosa aber mein ganzes Leben nicht, so sehr hatte ich um
sie getrauert. Sie war die einzige Puppe, die ich je geschenkt
bekam.
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Das ist meine zweite Rosa.
Abgesehen vom weißen Kleid, gleicht sie der alten aufs Haar.
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Als
Puppenfan besitze ich heute mehrere schöne Exemplare. Vor zehn
Jahren, als ich 75 Jahre alt wurde, erlebte ich ein kleines
Wunder: Auf einer Puppenbörse entdeckte ich sie: genau dasselbe hübsche
Bubiköpfchen wie damals meine geliebte Rosa! Nur trug diese Puppe
ein weißes Kleidchen mit schöner Stickerei.
Auf
meine Frage, wie alt die Puppe sei, sagte mir der Verkäufer, sie
stamme wahrscheinlich aus dem Jahre 1921. Später erfuhr ich‚ daß
es eine Armand-Marseille-Puppe ist.
Seitdem
sitzt diese Puppe auf meiner Couch, und ich liebe sie genauso, wie
ich als Kind meine Rosa geliebt habe.
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Aus:
"Unvergessene Weihnachten", Reihe ZEITGUT,
Band 3. |
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