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Die bäuerliche Herkunft
vieler Saarbergleute konnte man früher an den
Deckeln erkennen, die am Kopf der Pfeife
angebracht waren. Ursprünglich konstruierte man
solche Pfeifen für die Bauern, denn im Stall
und der Scheune durfte keine Glut zu Boden
fallen.
Aber auch die Bergleute schmauchten mit Vorliebe
diese "Kleebscher", und mancher hatte
sogar ein spezielles Verfahren für die
"bergmännische Herstellung von
Pfeifentabak". Ein typisches Rezept:
Man nehme ein Doppelblatt der
Saarbrücker Zeitung, breite es auf dem Tisch
aus, lege ein Holzbrettchen darauf und schneide
"St. Wenneler Rolltuwwak" in ganz dünne
Scheibchen (am besten mit einem Bandmesser, das
man von der Grube mitgenommen hat, "damits
net fortkommt"). Die Scheiben werden nun sorgfältig "geriwwelt"
und mit einer Packung geschnittenem Pfeifentabak
vermischt. Danach drückt man das Ganze fest in
einen Bierkrug, damit der Tabak fermentiert.
Das Schneiden des Rolltabaks
war ein Ritual. Kein englischer Pfeifenraucher dürfte
sich mit mehr Andacht der Vorbereitung des
Nikotingenusses widmen. Man braucht vor allem
viel, viel Zeit.
Erst dadurch entsteht die Wechselwirkung von
Gelassenheit und äußerster Konzentration, die
Vorahnung des Genusses, der durch enorme
Sorgfalt bei der Vorbereitung erheblich
gesteigert werden kann.
Ein Bergmann hatte sich einmal
in ein feines Saarbrücker Restaurant verirrt.
Er bestellte kein Menü, sondern ein "Bierche",
legte seinen "Rolles" auf den Tisch
und zückte sein Bandmesser. Dann zelebrierte er das Schneiden der Tabakstränge
mit einer solchen Intesität, daß das Tischtuch
nicht nur braune Flecken aufwies. Die ersten
Schnitte waren bereits in dem Stoff zu erkennen.
Der Kellner kam angerannt und sagte:
"Das können Sie doch nicht machen, mein
Herr!" "Unn ob isch das kann. Das mach ich schon
seit zwanzisch Johr", und er machte ihm das
Angebot: "Kannschd jo zugugge, damit dus
lehrschd."
"Sie mißverstehen mich, mein Herr. Wir
sind ein angesehenes Restaurant. Was Sie da
machen, das ist zu grob."
Der Bergmann schaute ihn von unten an und erklärte:
"Ach woher dann! Du haschd awwer aach graad
gar kenn Ahnung. Von weesche zu grob. Der werd
doch noch geriwwelt."
Nach dem Zweiten Weltkrieg
bewiesen die Saarbergleute wieder einmal, daß
sie Universaldilletanten in des Wortes bester
Bedeutung sind. Sie entpuppten sich als
Tabakpflanzer. Die Zigarettenrationen reichten nicht aus, außerdem
brauchte man die nikotinhaltige "Goldwährung"
ja auch zum Hamstern. Eine neue Tabakmarke wurde
kreiert: der "Gewwel". Es standen
keine luftdurchlässigen Speicher zur Verfügung,
also trocknete man die Tabakblätter am Giebel,
am "Gewwel". Die Pflanzerkünste reichten jedoch oft nicht
aus, um dem Tabak die gewünschte braune Färbung
zu geben. Meisten blieb der Tabak grün wie
"Peterling". Aber es gab ja nichts
Besseres. Also konstruierte man
Tabakschneidemaschinen und ging ans Werk. Die
Saargruben lieferten das Material dazu - natürlich
ohne es zu wissen -, und Tausende von Wohnküchen
verwandelten sich in kleine Tabakfabriken.
Die Bergleute hatten
jedenfalls ihren "Tuwwak", während
Angehörige anderer Berufgruppen noch Kippen
sammeln mußten. Voller Ironie sangen sie auf
die Melodie der "Sentimental Journey"
- eines Schlagers, den damals Frank Sinatra
populär macht:"Babbe guck, om Boddem leid e Kippe!
Babbe guck, sonschd isser fort."
Die Bergleute hatten das nicht
nötig. Dennoch: Die Raucher unter ihnen mußten
sich einschränken, eine Zigarre gar war ein
Luxusgegenstand. In jener Zeit zitierte man die
Äußerung eines älteren Bergmanns, der einmal
gesagt haben soll:
"Unser Berschwerksdirektor unn sei
Schoffeer hann ähn unn dieselb Angewohnheit. Sie
raache die Zigarre nure halwer. - De
Berschwerksdirektor die erschd Hälfd onn sei
Schoffeer die anner."
Vielleicht haben die Bergleute
ein so inniges Verhältnis zum Tabak, weil unter
Tage Rauchen strengstens verboten ist. Da wird -
als Ersatz - geschnupft und gepriemt. Jungbergleute, Beflissene und Betriebsfremde
haben in der ersten Zeit oft Schwierigkeiten,
sich an den Kautabak zu gewöhnen. Und gerade
ihnen bieten doch die Bergleute am liebsten ein
"Priemsche" an. Wer es nimmt, in den
Mund steckt und keine Miene verzieht, der ist
schon fast akzeptiert.
Es soll aber auch schon vorgekommen sein, daß
ein Beflissener wegen angeblicher
Kohlenmonoxidvergiftung über Tage gebracht
wurde und dort einen fünf Zentimeter langen
Priem ausgespuckt hat.
Vor allem die eingelegten Priemchen - meistens
in selbstgebranntem Schnaps - sind nicht
jedermanns Sache. Irgendwie verständlich, aber für
die Bergleute ist ein Priemchen weitaus mehr als
nur ein Stück Kautabak. Man bietet es seinem
Kameraden an, dem Steiger, mit dem man gut
auskommt. Und wenn man einen nicht besonders
mag, dann kriegt er keins, vielleicht auch mal
eine "Attrappe", z.B. ein Stück
zusammengewickeltes Isolierband. Daran hat er
dann schwer zu kauen.
Gerhard Bungert, Klaus-Michael
Mallmann: "Kaffeekisch unn Kohleklau"
(©1980 Buchverlag Saarbrücker Zeitung)
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