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Wie war
denn das mit dem
BECKER TURM?
Er hatte Tradition im Saarland, wurde
beachtet und er war der unumstrittene Doyen unter den
Hochglanzblättern zwischen Blieskastel und St. Wendel.
Dabei hatte er zeitlebens viel erlebt und einiges
einzustecken. Aber ein typischer Saarländer ist nicht so
schnell kleinzukriegen – es sei denn, die Saarbrücker
Zeitung... Doch jetzt der Reihe nach: Wie es sich für eine
Firmenpublikation gehört, trug die 1964 gegründete
PR-Illustrierte den Namen dessen, dem er diente, und das war
die Becker-Brauerei in St. Ingbert. Sie nannte ihren jüngsten
Sproß (Rund um den) BECKER TURM, womit das imposante
Sudhaus der Brauerei gemeint war. Dahinter steckte mit Ernst
H. Schneider (de Ernie) ein sehr beweglicher Allrounder, den
man heute eher als Marketingmann bezeichnen würde. Dann
ging die Becker-Brauerei 1989 an Karlsberg, die Zeitung
wanderte mit und behielt den Namen bei. Irgendwann verloren
die Karlsberg-Leute das ganz große Interesse an ihrer
Hochglanzpostille, und so nahm man Ernie Schneiders Eintritt
in den Ruhestand zum Anlaß, die PR-Illustrierte 1996 an den
WOCHENSPIEGEL-VERLAG GmbH zu verkaufen. Das war das Ende
einer erstaunlichen Karriere für den langjährigen
PR-Journalisten, Fotografen und Anzeigenvertreter Schneider.
Aber es war nicht das Ende für alle Zeiten. Ernst
Schneiders Sohn Micha nutzte die eigenen wie die Erfahrungen
des Vaters und gründete einen eigenen Verlag, um fortan die
saarländische Illustrierte SAAR-REVUE herauszugeben. Der
BECKER TURM erfuhr in der nun hochprofessionellen Umgebung
etliche inhaltliche wie Aufmachungs-Korrekturen. Nicht
allein Public Relations beherrschte die Konzeption, vielmehr
berücksichtigte das mitunter 300seitige Produkt
journalistische Aspekte. Das Ansehen stieg weiter. Eine
Umfrage ergab den sehr hohen Bekanntheitsgrad von 41 Prozent
gegenüber 15 Prozent des nächsten Wettbewerbers. Die
Auflage stieg im Sommer 2001 auf 21000 Auflage. Von
besonderer Bedeutung für die saarländische Medienszene war
der Verkauf von Anteilen des Wochenspiegel-Verlages an die
Saarbrücker Zeitung Druckerei und Verlag sowie der
Zusammenschluß von Wochenspiegel und Heimatpresseverlag (HPV).
Die Besitzverhältnisse änderten sich; die SZ hält 74,9
Prozent, der Wochenspiegel-Verlag 25,1 Prozent. Aus dem mächtigen
Verleger Helmut Gebauer wurde ein Geschäftsführer mit
entsprechend beschränkten Befugnissen. Das Sagen verlagerte
sich in die Gutenbergstraße, erster Stock zur Eisenbahnstraße
hin... Die kleine Redaktion des BECKER TURM hegte große
Hoffnungen, als man sich irgendwie dem Niveau der großen
Profis vom SZ-Pressehaus anzunähern schien. Wieder ging ein
Ruck durch die Büros im Wochenspiegel-Domizil. Sogar einen
neuen Namen für den vermeintlich abgelutschten Begriff
BECKER TURM hatte man gefunden und soeben publiziert:
SAARLAND JOURNAL. Dann kam der Herbst 2001 und mit ihm die
rote Karte des SZ-Aufsichtsrates: Das SAARLAND JOURNAL alias
BECKER TURM wird sofort eingestellt. Es passe nicht in die
Kompetenz des Hauses Saarbrücker Zeitung. Quasi über Nacht
mußten die völlig ahnungslosen PR-Redakteure mitsamt der
Sekretärin die Segel streichen, ungefragt, ungehört,
unbeachtet. Der große Bruder von der anderen Saarseite
hatte eine bereits traditionelle saarländische Zeitschrift
einfach weggekegelt, und zwar ohne jede Not, denn das
Glanzheft schrieb durchaus solide schwarze Zahlen. Kein
Abschied in einer allerletzten Ausgabe, keine Information an
die werbende Wirtschaft, keine Erklärung, nichts. Von jetzt
auf gleich war er weg, der BECKER TURM, den die
SZ-Herrschaften zwar in großzügiger Geste an die überforderte
Redaktion für den Symbolwert einer Mark verschenken wollte
mitsamt dem Namen. Aber die konnte so kurzfristig gar nicht
reagieren, geschweige denn ein solches Projekt ohne jegliche
Vorbereitung übernehmen. So endete die Geschichte einer
saarländischen Zeitschrift. Noch nicht einmal die
Chronistenpflicht gebot es den Machern der Saarbrücker
Zeitung, die saarländische Leserschaft über das Ableben
– besser gesagt: den Totschlag – eines offenbar
ungeliebten Kindes zu informieren. Womit die Antwort gegeben
ist auf die Frage: Wie war denn das mit dem BECKER TURM?
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