Es gibt keine Kindheit
ohne Spielzeug
Der vorliegende Text hat keinen "wissenschaftlichen"
Anspruch. Er bildet den gedanklichen Rahmen als Einladung zur Lektüre
des Buches von Jeanne Damamme, Konservatorin des Spielzeugmuseums
Poissy und Autorin des Werkes mit dem Titel "Mémoires de Jouets",
das 1998 bei den Éditions Hatier Littérature Générale erschienen
ist.
"Die Spielzeuge ändern
sich und entwickeln sich weiter, aber was die Kinder damit tun ist
ewig, unverzichtbar und universell. Spielen heißt "so tun als
ob", wobei Körper und Geist gefordert und geformt werden. Das
Kind braucht das Spielzeug für seine Entwicklung.
Spielzeuge sind Zeugnisse der Kindheit, aber nicht nur das. Sie sind
auch ein verkleinertes Abbild der Welt, in der wir leben oder in der
unsere Vorfahren gelebt haben. Sie veranschaulichen Erfindungen,
reproduzieren historische und politische Ereignisse.
Heute nehmen Kleinkinder
und Kinder in der Gesellschaft einen so wichtigen Platz ein, dass das
Spielzeug einen neuen Status erlangt hat. Vom Verbrauchsgegenstand
wurde es zum Studienobjekt und seit kurzem… zum Museumsstück !
Es gibt viele Spuren von Spielzeugen aus dem antiken Griechenland, Rom
und Ägypten, vor allem Puppen aus Elfenbein und Knochen mit
gelenkigen Schultern, aber auch Puppen aus Lumpen. In Griechenland und
Rom bezeugt eine Handwerkerschaft und Innung - die Koroplasten von
Athen und Korinth - die Existenz einer Spielzeugwirtschaft. Ihre
Erzeugnisse, die Terrakottapuppen, wurden im ganzen Mittelmeerraum
gehandelt.
Die Spielzeuge aus dem Mittelalter sind weniger gut konserviert,
obwohl sich damals in Europa ein Spielzeughandwerk entwickelte. Im 15.
Jahrhundert schnitzten und drechselten die Bauern in der Region
Sonneberg Tierfiguren und Holzpuppen, um sich ein zusätzliches
Einkommen zu verschaffen. In Frankreich wurden in Pilgerstätten wie
Saint-Claude (Jura) gleichzeitig mit den heiligen Objekten
gedrechselte Holzspielzeuge für die Kinder der Pilger hergestellt.
Nur wenige Originalspielzeuge haben überdauert (Parasiten, Sprödigkeit
des Materials usw.). Unsere Kenntnisse über die Spielzeuge aus dieser
Zeit stammen vor allem aus königlichen Büchern, in denen die für
die kleinen Prinzen bestellten Klappern oder in Seide gewandeten
Puppen beschrieben werden.
Nur die luxuriösesten,
außergewöhnlichsten Spielzeuge aus dem 17. und 18. Jahrhundert sind
uns überliefert: holländische und deutsche Puppenhäuser,
Meisterwerke der Möbeltischlerei und Goldschmiedekunst. Im 18.
Jahrhundert diversifizierten sich die Spielzeuge und wurden als
unterhaltsame Lernhilfe verwendet. In der Stadt Nürnberg, die sich
zum europäischen Spielzeugzentrum entwickelt hatte, wurden
massenweise Zinnsoldaten hergestellt. Trommeln, Trompeten und Puppen
wurden in großem Maßstab gefertigt und verkauft.
Im 19. Jahrhundert wandelte sich das Spielzeug zu einem industriellen
Gegenstand. Puppen und Metallspielzeuge, Bleisoldaten und
Gesellschaftsspiele fanden große Verbreitung. Aber trotz des preisgünstigeren
Angebots blieben die Spielzeuge den Kindern der Städte und
wohlhabenden Familien vorbehalten.
Der Teddybär wurde am Ende des 19. Jahrhunderts von Margarete Steiff
geschaffen und erzielte in den Vereinigten Staaten seine ersten
Erfolge (Teddy bear); die Mode schwappte dann nach England,
Deutschland und Frankreich über. Damals entstanden Kinderkrippen und
Kindergärten, und die Bedeutung des Spielzeugs wurde allgemein
anerkannt. Der Teddybär wusste dies zu nutzen.
Die Jahrhundertwende gilt auch als goldenes Zeitalter der Puppe; aus
ihr stammen die schönsten Stücke, die berühmten "Bébés".
Dabei handelt es sich um Puppen mit Porzellankopf in matter Farbe, mit
dem realistischen Porträt eines Kindes, aufgesetzt auf einen
gelenkigen Körper aus Pappmaché. Diese Stücke mit dem
zerbrechlichen Kopf und dem robusten Körper sind heute sehr gesucht.
Die Werkstoffe und Herstellungsweisen entwickelten sich weiter, und es
gab immer mehr Zubehörteile, die dem zeitgenössischen Modestil
entsprachen. Einige Tafelservice sind Miniaturausgaben echter
Essgeschirre aus großen Fayence- und Porzellanmanufakturen.
Zwischen 1930 und 1950 waren die Zelluloidbabypuppen in Mode, die
gebadet werden konnten. Ein Glücksfall für die kleinen Mütter !
Auch die Spielzeuge der Knaben waren von der Aktualität der
Erwachsenen geprägt. Aus den Segelbooten zum Beispiel wurden um 1900
dickblechige Kriegsschiffe. Autos mit Pedalen (aus Holz oder
Korbweide) tauchten ab Anfang des Jahrhunderts in den Katalogen auf,
und der Concours Lépine umfasste bereits eine Abteilung für
Flugspielzeuge.
Der Spielzeughandel verlegte sich nun auf die Kaufhäuser, und bereits
am Anfang des 20. Jahrhunderts wurde Weihnachten zu einem wichtigen
Fest. Die großen Erfindungen wie Dampflokomotive und Kinematograph
gab es in Spielzeugform, und es entstanden bedeutenden Firmendynastien
wie Steiff, Le Jouet de Paris, Hornby, Märklin usw.
Es war die Zeit der ersten privaten Spielzeugkollektionen und der Gründung
einer Gesellschaft der Liebhaber von alten Spielen und Spielzeugen,
die mit dem Verband der Spielzeughersteller kooperierte. Das Spielzeug
wurde zum Wirtschaftsfaktor, wobei zwischen Frankreich und Deutschland
ein starker Wettbewerb bestand. Erst in den sechziger Jahren wurde das
Spielzeug zum Museumsobjekt, als die Einführung des Kunststoffs in
der Herstellung die Produktionszahlen und die Ästhetik auf radikale
Weise änderte. Das Spielzeug wurde zu einem banalen
Verbrauchsgegenstand. Die Liebhaber widmeten sich daher viel
intensiver den Spielzeugen aus der Zeit vor der Kunststoffepoche. Es
entstanden Sammlungen, Ausstellungen wurden veranstaltet, und 1974
wurde in Poissy das erste öffentliche Spielzeugmuseum in Frankreich
gegründet.
Baukästen
Die ersten pädagogischen Spielzeuge gehen auf den Anfang des vorigen
Jahrhunderts zurück. Schon allein ihre Aufbewahrung in den Holzkästen
ist eine mathematische und geometrische Übung!
Die bebilderten Würfel
zum Aufeinanderstapeln sind leichter zu handhaben. In Frankreich, sie
fanden im Zweiten Kaiserreich große Verbreitung und sind noch heute
beliebt. Der Erfindung der Puzzles, die am Ende des 18. Jahrhunderts
in England erstmals in Erscheinung traten, ging diejenige der Spielwürfel
voraus. Im Laufe der Zeit verbilligten Sperrholz und Pappe die
Herstellung und förderten ihre Verbreitung.
Im Jahre 1901 fanden die
Baukästen aus Holz oder Papier mit dem Meccano von Franck Hornby
ihren Meister. Sein phänomenaler Erfolg ist nur mit demjenigen zu
vergleichen, den Lego nach 1954 mit seinen kleinen Kunststoffsteinen
erzielte.
Simulationsspielzeuge und -spiele
Das Kind spielt den Erwachsenen. Es versetzt sich in eine mögliche
Zukunft, aber es erfindet vor allem eine Geschichte, in der es im
Mittelpunkt steht. Im Laufe der Jahrhunderte wandelten sich Berufe und
soziales Umfeld. Um 1900 konnte ein katholisches Kind eine Messe
nachspielen, und die Geschenkkataloge umfassten eine große Auswahl an
Schulen und Klassenzimmern. In den dreißiger Jahren waren Postämter
im Angebot.
Die Mädchen der
Jahrhundertwende spielten mit ihren Puppenhäusern "Villa
Deauville", und die
Knaben imitierten den
Bahnhofsvorsteher mit der roten Fahne in der Hand oder den
Feuerwehrmann.
Die Pariser Lebensmittelhandlung mit dem heruntergehenden Eisengitter
mutierte zur Supermarktkasse (aus Kunststoff) - das nachahmende Spiel
ist immer auf dem neuesten Stand.
Pferdeställe, Viehställe,
Tiere und sonstige Elemente des Landlebens sind am Anfang des 20.
Jahrhunderts ebenfalls sehr präsent. Dabei rangiert die Milchkuh an
erster Stelle, die bereits 1878 muhte, den Kopf bewegte und gemolken
werden konnte! Gärtner, Künstler, Artisten, Soldaten usw. waren
andere von der Spielzeugindustrie bevorzugte Berufe.
Hinter den Nachahmungsspielen verbirgt sich oft eine pädagogische
Absicht. Dies wird bei den Lottospielen, Puzzles,
Frage-und-Antwort-Spielen besonders deutlich.
Das 1805 in Nürnberg
herausgegebene Nationenspiel, das universelle Geogaphie-Lottospiel von
1860 und auch die alphabetischen Würfel sind "lehrreiche"
Spiele. Das Gänsespiel mit seinen 63 illustrierten Feldern ist ein
weiteres bevorzugtes Medium für Unterricht oder Politik.
Wissenschaftliche, technische und mechanische Spielzeuge
Das 19. und 20. Jahrhundert mit ihren vielen Erfindungen lieferten den
Spielzeugentwicklern unablässig neue Ideen.
Gehpuppen auf Rollen,
das "Unerschrockene Bébé" von 1892 und sonstige Automaten
sind Wunderwerke an komplexer Mechanik, jedoch ohne pädagogische
Absicht. Diesen Zwecke erfüllten Demonstrations- und Experimentierkästen:
Dampf, Strom, alles wird aufbereitet, um die Jungs auf den Ingenieur-
oder Elektrikerberuf vorzubereiten. Das elektrische Spielzeug par
excellence ist die Eisenbahn. Bereits im Jahre 1912 gab es im Pariser
Kaufhaus Samaritaine eine mechanische Eisenbahn mit batteriegespeister
"elektrischer Beleuchtung".
Wissenschaftliche
Spielzeuge für Mädchen sind seltener; die Puppenherde wären hier
einzuordnen.
Informationshalber sei
auch das Praxinoskop von Émile Reynaud (1877) erwähnt, bei dem sich
ein auf einen Papierstreifen gedrucktes Bild animiert und bewegt und
das wie die Laterna Magica zu den Vorfahren des Kinematographen gezählt
werden kann.
Die "moderne" Zeit
In den fünfziger Jahren ähnelten die Spielzeuge denjenigen vor dem
Kriege. Die französischen Unternehmen begannen die Neuproduktion mit
kaum veränderten Produkten, und die lange bestehenden Einschränkungen
zwangen die (natürlich als unwesentlich betrachtete)
Spielzeugindustrie dazu, sich mit Ersatzwerkstoffen wie Holzpulver,
gekochter Pappe, Pappmaché, Lumpen, Zamak etc. zu begnügen.
Nach und nach verdrängte
der Kunststoff die anderen Materialien. Der preiswerte, leichte,
verformbare und beliebig einfärbbare Werkstoff steigerte durch die
geringeren Selbstkosten den Spielzeugverbrauch.
Wie in jedem
Wirtschaftssektor fielen einige Firmen dieser Übergangsphase zum
Opfer. Manche Marken konnten sich die komplette Modernisierung ihrer
Anlagen und Maschinen nicht leisten und verschwanden.
Als erste in Frankreich
stellten sich die Hersteller von Holz- und Zelluloidspielzeugen im
Jura auf den Kunststoff um.
Ab den sechziger Jahren änderte sich wirklich alles: Produktion,
Verbrauch, Ästhetik. Heute, im Zeitalter der Computer und
Computerspiele, bleibt das Spielzeug lebendig, und die alten Modelle
(Personenpuppen, Tiere, Fahrzeuge, Personenausrüstungen usw.)
überdauern".
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